WS 2001/2002

Ungarn in der historischen Beziehungsforschung. 

Teil III: Zergliederung und Eingliederung. Das Stephansreich in der Türkenzeit und in der Habsburgermonarchie

Beginn 17. Oktober 2001

Mittwochs 11-13 im Historicum, R 327

Zur Mitte des 16. Jahrhunderts zerfiel das Königreich Ungarn in drei Teile. In Mittelungarn richtete sich die osmanische Besatzungsmacht ein, der Nordwesten trat als „königliches Ungarn" unter habsburgischer Führung die staatsrechtliche Nachfolge des alten Stephansreiches an, und im Osten genoß der gegenüber der Hohen Pforte tributpflichtige Kleinstaat Siebenbürgen eine verhältnismäßige Eigenständigkeit. Infolge der Zurückdrängung der Osmanen aus Ostmitteleuropa am Ende des 17. Jahrhunderts gliederte sich das wiedervereinigte Königreich Ungarn in die Habsburgermonarchie ein, in der es – mit Unterbrechungen – bis 1918 die Stellung eines unabhängigen, aus Wien mitregierten Teilstaates einnahm. Die Lehrveranstaltung widmet sich der Türkenzeit unter dem Leitaspekt der Beziehungen zwischen den drei Staatsteilen sowie zwischen der habsburgischen und der osmanischen Machtsphäre, wobei sie insbesondere der Frage nachgeht, wie sich die Dreiteilung auf die innere Differenzierung und die Außenkontakte der Natio Hungarica auswirkte. Für die Habsburgerzeit steht der Gesichtspunkt der doppelten Integration im Mittelpunkt: Zu untersuchen ist einerseits Ungarns gesamtstaatliche Ausrichtung als Untereinheit des übernationalen Reiches, andererseits die Ebene der Verbindungen innerhalb seiner historischen Grenzen, also zwischen seiner eigenen Untereinheiten. In beiden Fällen sollen Strukturen und Prozesse von Desintegrationen an herausragender Stelle behandelt werden.

Organisatorisches: Die Übung will den diskursiven Gedankenaustausch, den freien Vortrag und die wissenschaftliche Schreibfertigkeit fördern. Sie erwartet von den Teilnehmern keine Abhandlungen, sondern Problemaufrisse (max. 10 Minuten), die in den Sitzungen diskutiert werden. Die Themenliste wird für das gesamte SS im Sekretariat der Abteilung rechtzeitig ausgehängt. Die Sekundärliteratur wird während des Semesters teils ausgeteilt, teils von den Studenten erschlossen werden müssen. Scheinerwerb nach LPO I §71 (1)Abs. 2d (Theorie und Methode) ist möglich. Die Bedingung dafür ist die Bereitschaft, je nach Teilnehmerzahl wöchentlich oder zweiwöchentlich ein Kurzreferat zu halten sowie eine Hausarbeit (max. 5 Seiten) möglichst bis Beginn des nächsten Semesters anzufertigen (wünschenswert sind z. B. Besprechungen einschlägiger Neuerscheinungen). Kenntnisse des Ungarischen, Rumänischen und/oder einer slavischen Sprache wären hilfreich, sie sind aber keine Voraussetzung der Teilnahme.

Einführungsliteratur: Géza Herczeg: Magyarország külpolitikája 896-1919 [Ungarns Außenpolitik 896-1919]. Budapest 1987; Robert A. Kann: Geschichte des Habsburgerreiches 1526-1918. Wien/Köln 31993; Gyula Miskolczy: Ungarn in der Habsburger-Monarchie. Wien/München 1959; Harald Roth: Kleine Geschichte Siebenbürgens. Köln [u. a.] 1996; Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Hgg. Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch. I-VII. Wien 1973-2000; Studienhandbuch Östliches Europa. I: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas. Hg. Harald Roth. Köln/Weimar/Wien 1999.

 

Themenliste

17. 10. Einführung in das Übungsthema, bibliographische Übersicht

 

Türkenzeit

24. 10. Von der Zweiteilung zur Dreiteilung: Ungarn im habsburgisch-osmanischen Machtkampf

31. 10. Das „königliche Ungarn": staatsrechtliche Nachfolge Altungarns unter habsburgischer Vorherrschaft

7. 11. Das „autonome" Fürstentum Siebenbürgen: innere und äußere Merkmale der Kleinstaatlichkeit

14. 11. „Türkisch-Ungarn": rechtliche, wirtschaftliche und administrative Auswirkungen der osmanischen Besetzung

21. 11. Verflechtungen in der Zergliederung: Formen und Inhalte von Kontakten zwischen den Landesteilen

28. 11. Demographische, soziale und wirtschaftliche Folgen der Dreiteilung

 

Habsburgerzeit

5. 12. Befreiung und Einverleibung: Wiens dynastische Ungarnpolitik

12. 12. Vereinigung und Widerstand: die Unabhängigkeitsbewegung der ungarischen Stände

19. 12. Die „Pragmatische Sanktion": der gesamtstaatliche Kompromiß

9. 1. Ungarn und seine Nebenländer als Untereinheit des Reiches: gab es einen teilstaatlichen Kompromiß?

16. 1. 1848/1849: Die Aufkündigung des gesamtstaatlichen Kompromisses

23. 1. Der österreichische Neoabsolutismus: ein „Fremdkörper" in der Geschichte Ungarns?

30. 1. Die Rückkehr zum gesamtstaatlichen Kompromiß im österreichisch-ungarischen Dualismus: von der großstaatlichen Integration zur kleinstaatlichen Desintegration

 

6. 2. Schlußbetrachtung