WS 2000/2001

Ungarn in der historischen Beziehungsforschung.

Teil I: Themenschwerpunkte und Fragestellungen

Beginn 18. Oktober 2000

Mittwochs 11.00 – 12.30 im Historicum, R 202

In der Geschichte Ungarns reihen sich von Anbeginn innere und äußere Integrationen unterschiedlicher Trägerschaft, Ausdrucksformen und Erfolgsgrade aneinander. Die Angleichungen waren häufig an Bedingungen geknüpft, mithin vom Zug des Kompromißhaften gekennzeichnet. Nicht selten förderten sie aber zugleich neue Interessengegensätze zutage, die letztlich zu Desintegrationen führten. Die als vierteilige Veranstaltung geplante Übung soll im ersten Teil die wichtigsten Themen- und Fragestellungen der internationalen Forschung hauptsächlich über die ungarisch-deutschen, ungarisch-rumänischen und ungarisch-slawischen Beziehungsgeflechte von der ungarischen Landnahme bis zum 20. Jahrhundert erfassen. In den nachfolgenden Semestern werden jeweils in einer Geschichtsepoche politisch-rechtliche, kulturelle und sozialökonomische Aspekte besagter Kontaktsysteme vertieft. Ziel dieses Übungszyklus ist es, Empfehlungen für eine interdisziplinär-komparatistische, von der nationalgeschichtlichen Sichtweise angemessen losgelöste Ungarnkunde zu erarbeiten und dabei den Gegenstand mit den anderen Lehr- und Forschungsschwerpunkten der Abteilung zu verknüpfen.

Organisatorisches: Die Übung will den diskursiven Gedankenaustausch, den freien Vortrag und die wissenschaftliche Schreibfertigkeit fördern. Sie erwartet von den Teilnehmern keine Abhandlungen, sondern Problemaufrisse. Je Sitzung sollen drei-vier Kurzreferate (max. 10 Minuten) vorgestellt und diskutiert werden. Die Themenliste wird für die gesamte Veranstaltung im Sekretariat der Abteilung rechtzeitig ausgehängt. Die Sekundärliteratur wird während des Semesters teils ausgeteilt, teils von den Studenten erschlossen werden müssen. Scheinerwerb nach LPO I §71 (1)Abs. 2d (Theorie und Methode) ist möglich. Die Bedingung dafür ist die Bereitschaft, je nach Teilnehmerzahl wöchentlich oder zweiwöchentlich ein Kurzreferat zu halten sowie eine Hausarbeit (max. 5 Seiten) möglichst bis Beginn des nächsten Semesters anzufertigen (wünschenswert sind z. B. Besprechungen einschlägiger Neuerscheinungen). Kenntnisse des Ungarischen, Rumänischen und/oder einer slavischen Sprache wären hilfreich, sie sind aber keine Voraussetzung der Teilnahme.

Deutschsprachige Literatur zur allgemeinen Orientierung: Thomas von Bogyay: Grundzüge der Geschichte Ungarns. 4., überarb. Aufl. Darmstadt 1990; Holger Fischer – Konrad Gündisch: Eine kleine Geschichte Ungarns. Frankfurt am Main 1999; Miklós Molnár: Geschichte Ungarns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hg. der deutschen Ausgabe und Übersetzer aus dem Französischen Bálint Balla. Hamburg 1999; Studienhandbuch Östliches Europa. I: Geschichte Ostmittel- und Südosteuropas. Hg. Harald Roth. Köln/Weimar/Wien 1999.

 

Themenliste

Vorbesprechung: Untersuchungsaspekte, Übungsziele, Fachliteratur

 

Von der heidnischen Stammes- zur christlichen Staatsbildung
Herkunftsvielfalt in der altungarischen Reiternomadengesellschaft
Ungarische Landnahme im Donau- und Karpatenbecken: erste Begegnung mit Slawen und dem Christentum
Gründung des Stephansreiches: baierische Vermittlung westkirchlicher Einflüsse aus dem Deutsch-Römischen Reich

Das mittelalterliche Königreich

Träger des inneren Beziehungssystems: ethnisch-kulturelle Gruppen, soziale Schichten, Regionen
Äußere Kooperationen und Konfrontationen: die deutsche und die slawische Dimension
Aufstieg des rumänischen Faktors

Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart

Die Habsburgermonarchie als Zuordnungsrahmen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert
Kerngebiet und Nebenländer im ungarischen Reichsteil
Hungarus-Konzeption und Nationalitätenfrage: Anziehungskraft und Konfliktgehalt der Idee der ungarischen politischen Nation in der ständischen und frühbürgerlichen Epoche
Grenzüberschreitende Abstimmungen, Partnerschaften und Bündnisse im 20. Jahrhundert I: die innerungarische Kontaktebene
Grenzüberschreitende Abstimmungen, Partnerschaften und Bündnisse im 20. Jahrhundert II: die internationale Kontaktebene

Schlußbetrachtungen: Perspektiven der ungarnkundlichen Integrations- und Desintegrationsforschung